ZUR SACHE

                                                                                           

Atmung - Stimme - Präsenz: Warum?

Atmung ist nicht allein für unsere Sauerstoffversorgung zuständig, sondern gewissermaßen die "Schnittstelle" zwischen Körper und Psyche. Wenn uns also Aufregung, Stress und Angst zusetzen, können wir sie durch gezielte Atemführung mildern und so eine andere innere Einstellung zu dem, was ansteht, gewinnen. Dies ist nicht nur durch spezielle Entspannungsübungen möglich, sondern hier und jetzt, mitten im Leben, durch einfaches Wahrnehmen des sowieso Gegebenen. Wenn wir uns auf den Kontakt mit dem Boden (im Stehen) oder ein Raumgefühl für den Bauch (im Sitzen) besinnen (was auch in der heftigsten Auseinandersetzung noch möglich ist!), schaffen wir ein Gegengewicht zu unserem Kopf und veranlassen fließendes Atmen und innere Entspanntheit.

Diese wirken sich durch eine vertiefte Zwerchfell- und Kehlkopfstellung sofort auf die Stimme aus: sie ist tendenziell klarer, voller und dunkler ("mehr geerdet"). Um auch im Sprechen unter höheren Anforderungen gelassen zu bleiben, sollten wir unseren Standpunkt im wahrsten Sinn immer wieder "vertreten" bzw. bekräftigen. D.h. wir bestärken, was wir sagen, mit dosierter, punktgenauer Gestik (im Zuge der Betonung) in Händen und/oder Beinen. Dadurch stellen wir im wahrsten Sinne Dinge fest, legen Meinungen dar und stehen im wahrsten Sinne zu dem, was wir sagen. Die feinen sensorischen Reize, die wir unserem Körper durch die gestischen Bewegungen setzen, sichern ein permanentes Fließen der Atmung, also ein Wohlbefinden, das Gefühl von konkretem Halt und zuverlässigem Zusammenspiel zwischen Geist und Körper. Darüber hinaus bestimmen wir mit diesen Bewegungen auch die Gesamtspannung unseres Körpers einschließlich der Artikulation!

Präsenz (Gegenwärtigkeit: von "gegen die Warte"?) stellt sich durch den wiederholten Streckimpuls ein, der der Empfindung des Bodens als eines "Wider-Stands" folgt (unsere Sprache ist übrigens voller konkreter Hinweise!). Das unwillkürliche Aufrichten "von Grund auf" bewirkt eine optimale Haltung bei weiterhin fließender Atmung. Das Bewusstsein, bereits vieles "hinter" sich zu haben, das einem niemand mehr nehmen kann, und auch im Raum stets "Rück-Halt" zu finden, macht wach und offen (weites Blickfeld!). Dass unser Kopf dadurch wirklich oben, das Brustbein aufgerichtet, Mimik und Kiefer gelöst, der Sitz der Stimme vorn und ihr Klang sowohl sonor als auch obertonreich, also verbindlich und tragfähig ist, verleiht uns und unserer "Sache" Größe und Wirkung.

Daher bilden Atmung, Stimme und Präsenz für einen ambitionierten Sprecher ein untrennbares Ganzes: Physiologisches Atmen steht für Sicherheit, Ruhe und Stehen auf dem Boden "der Tatsachen"; eine Stimme, die in unbegrenzten Tönen und Nuancen erklingt, da sie von einer stabilen Fassung und Körperdynamik getragen wird, kennt kein Scheitern und kein Schonen; ein Auftreten schließlich, das den Menschen im Vollbesitz seiner geistigen und körperlichen Kräfte präsentiert, wirkt charismatisch und für alle Beteiligten inspirierend.